15. Mai 2020
Corona verändert die Zusammenarbeit mit Kunden
Entwicklungszeit Halbe!
In Coronazeiten!
Corona! Plötzlich wird das Team von AGILean und beim Kunden zu isolierten Einzelkämpfern im Home Office.
Die Transformation der physischen Kommunikation in eine komplett virtuelle Umgebung
gelingt innerhalb von einem Monat.
In dem Buch Agile Short Stories beschreibt mein Kollege Heinz Erretkamps, der Erfinder von agilean, als Einleitung den Pitch bei einem Gerätebauer, dessen Geschäftsleitung die Entwicklungszeit halbiert sehen will. Dieser Gerätebauer ist jetzt unser Kunde. Zum Jahresbeginn startete das erste agilean Projekt am Standort Weimar. Sehr erfolgreich! In nur acht Wochen ist ein Hochleistungsteam entstanden. Der Projektraum mit den physischen Boards und den vorerst freien Wandflächen hatte sich bewährt. Das Team nutzte ihn intensiv zur Zusammenarbeit und Visualisierung von Konzepten, Studien und Entwürfen. Gnadenlose Transparenz ist entstanden und wird gelebt. Die agilean Routinen sind etabliert. Die Kommunikation ist stringent und zielführend. Das Product Owner Team steuert fokussiert über das Stage Result Board und trifft eine Entscheidung nach der anderen. Das Entwicklungsteam ist eingebunden und liefert zuverlässig Sprint für Sprint die zugesagten Ergebnisse. Das Team kann gut seine Leistungsmöglichkeiten einschätzen und packt hoch engagiert und klar aufeinander abgestimmt die Aufgaben an. Der agilean Master macht einen großartigen Job. Das ehrgeizige Projektziel scheint mittlerweile für alle erreichbar. Unsere Vision ist wieder einmal dabei, sich zu verwirklichen: „Getting Projects Done! – Mit Freude und Energie gemeinsam die richtigen Dinge tun. Tag für Tag etwas besser.“ Deshalb haben wir intern schon angefangen zu überlegen, unseren Support zurückzufahren.
Und dann: Corona! Plötzlich wird das Team zu isolierten Einzelkämpfern im Home Office.
Doch sehr schnell ist im Unternehmen klar: „Wir lassen uns durch Corona nicht aufhalten! Die Costs of Delay pro Monat sind sechsstellig. Wie können wir unter diesen Umständen den Energie-Flow und die Performanz des Hochleistungsteams aufrechterhalten? Welche Antworten hat agilean?“ Auf einmal haben wir eine neue zusätzliche Herausforderung.
Schritt für Schritt, Stufe um Stufe haben wir in nur 2 Sprints – praktisch innerhalb eines Monats – die Transformation des physischen Ansatzes in eine komplett virtuelle Umgebung gemeinsam gestaltet. Allen war dabei wichtig, dass es keine Abstriche geben darf, weder im Team-Flow, noch in der Produktivität.
Was zuvor niemand für möglich gehalten hatte, nahm schnell Gestalt an, mitten im Sprint 4: Die IT erweiterte die technischen Voraussetzungen für Web-Konferenzen. Somit konnte wieder das Daily mit allen Teammitgliedern stattfinden – zum ersten Mal virtuell und von verschiedenen Standorten aus. In der ersten Ausbaustufe war der agilean Master allein oder mit nur einem weiteren Kollegen im physischen Projektraum, das Sprint Task Board über Web-Cam für alle sichtbar. Die Sticky Notes hat er auf Anweisung der Kollegen verschoben. In der gleichen Weise erfolgte der Sprint-Übergang in den Sprint 5. Nur der Master und ein Product Owner waren im physischen Projektraum. Beide hatten alle Hände voll zu tun, den Input der Team-Mitglieder in der Demonstration, der Retrospective und im Planning auf die Sticky Notes zu schreiben und am Board zu platzieren. Abschließend setzten sie noch gut leserliche Fotos der aktualisierten Boards ins gemeinsame Projektlaufwerk auf dem Firmen-Server. Damit war für alle außerhalb des physischen Projektraums sichergestellt, dass jede und jeder im Team an den richtigen Dingen arbeitet und somit Tag für Tag genau das tut, was auf die vereinbarten Projektergebnisse einzahlt. Zudem hatte man sich schnell darauf geeinigt, täglich eine Retrospektive durchzuführen, um die neue virtuelle Umgebung zu verbessern, um gemeinsam Tag für Tag voneinander zu lernen und sich zügig auf die veränderte Art der Kommunikation und Visualisierung einzustellen.
In der zweiten Ausbaustufe galt es, das Sprint Task Board als digitale Variante für die interaktive Zusammenarbeit im virtuellen Raum aufzubauen. Wir hatten ein Umsetzungsszenario für Sprint Task Board und Stage Result Board jeweils in den beiden Tools Trello und Conceptboard vorgestellt. Master und Product Owner Team entschieden sich für Conceptboard, da in diesem Tool die von uns im agilean Office entwickelte Vorlage seitens Optik und Handhabung den physischen Boards und dem intuitiven Umgang mit den Sticky Notes sehr nahekam. Nun ging es um den Übergang in den Sprint 6, dem letzten Sprint im ersten Stage. Vorerst behielt der Master die physischen Boards im Projektraum bei und erstellte mit Unterstützung der Product Owner eine virtuelle Kopie nur vom Sprint Task Board, dem wichtigsten Board für die tägliche Abstimmung im Team. Somit war die „Koordinations-Bühne“ des Projektteams jederzeit aktuell im Echtzeit-Status in der Cloud zugänglich – ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Wiederherstellung einer leicht zugänglichen und vollständigen Transparenz, unabhängig von räumlichen Trennungen und Einschränkungen.
Mit diesem Umbau in kleinen Schritten war es möglich, die Vorstellungen vom virtuellen Projektraum schnell mit den frühen Entwürfen zu testen, Erfahrungen auszuwerten und in kurzen Rückmeldeschleifen die Ausgestaltung fortlaufend zu verbessern, und zwar bevor man Aufwand in die Erstellung der anderen virtuellen Boards und Arbeitsflächen steckt. Dank der intensiven Begleitung durch den Master und unserer durchgängigen Beratung und Mitarbeit aus dem agilean Office arbeitete sich das Team in wenigen Tagen in das virtuelle Board ein und meisterte den Umgang mit dem neuen Tool. Der Einstieg für das Team in die neue virtuelle Umgebung war leicht, denn das Board war ja bereits komplett erstellt. Somit war es in den Dailies zunächst einmal nur nötig, sich in dem virtuellen Board zu orientieren und die To Dos auf den virtuellen Klebezetteln in die Zeilen „In Progress“ und „Done“ zu verschieben.
Bild 1: Die agilean Vorlage in Conceptboard für das Sprint Task Board, zusätzlich zur besseren Übersichtlichkeit mit Nummerierung der WBDs (Will
Be Deliverd) und Zuordnung der entsprechenden Stage-Results und Bereiche.
Dank der täglichen Retrospektiven und des hohen Engagements im Team wurde schnell klar: Zum nächsten Sprint-Übergang erfolgt die Umstellung auf 100% virtuell für alle Boards. Die physischen Boards sind nicht mehr nötig. Somit war auch der erste Stage-Übergang mit allen Zeremonien in diesem Pilotprojekt virtuell zu gestalten.
Für die Product Owner und den Master bedeutete dies einen zusätzlichen Klimmzug. Kurz vor Stage-Ende haben sie sämtliche Inhalte des physischen Stage Result Boards in die virtuelle Variante übertragen. Hier konnten wir die Arbeit erleichtern, indem wir im agilean Office die Blanko-Vorlage des virtuellen Boards im Format identisch mit dem physischen Vorbild aufgebaut und schon ein paar Inhalte übertragen hatten. Die Product Owner konnten sich dann auf den Inhalt konzentrieren. Bei Bedarf erhielten sie Unterstützung vom Master oder von mir als begleitendem agilean Coach. Durch den virtuellen Zugang über das Web war dies jederzeit kurzfristig möglich, ohne in ein Büro wechseln zu müssen und ohne eine Dienstreise zu starten.
Dann war es soweit: Zum vorgesehenen Termin startete die Stage-Demo mit einer erfreulich zahlreichen Teilnahme der Stakeholder. Durch den virtuellen Zugang konnten einige dabei sein, die sonst aufgrund anderer Termine eine Dienstreise an den Ort des Geschehens nicht angetreten hätten. Das Team hatte im Vorfeld Wege gefunden, die erzielten Ergebnisse virtuell zu demonstrieren. Auch virtuelle grüne Haken und rote Kreuze konnten die Product Owner bei der Demonstration für alle sichtbar auf die Results der Stage 1 setzen und auf der „Wall of Fame“ platzieren. Das Feedback der Stakeholder war ausnehmend positiv, nicht nur bezüglich der erreichten Ergebnisse, sondern auch über die virtuelle Demonstration. Zum Erstaunen vieler hatten die Umstände der Corona-Einschränkungen letztlich nicht zu einem Produktivitätsabfall geführt. Stattdessen sind nun neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Vernetzung eröffnet. Das Team hat seinen Willen, den Flow von Energie und Ergebnissen in diesem Projekt aufrecht zu halten, beeindruckend in die Wirklichkeit umgesetzt. Einzig ein emotionaler Aspekt, nämlich das Feiern, kam hier bei der „virtuellen Premiere“ zu kurz. Für den nächsten virtuellen Stage-Übergang steht „Feiern“ bereits jetzt auf der Agenda.
Beim anschließenden Stage- und Sprint-Planning mit den virtuellen Boards war das Team schon so geübt, dass jeder seine To Dos auf die virtuellen Sticky Notes selber geschrieben und an die entsprechende Stelle im Sprint Task Board geschoben hat. Damit war die Transformation von der physischen in die virtuelle Umgebung bestens gelungen.
Bild 2: Die agilean Vorlage in Conceptboard für das Stage Result Board, zusätzlich mit der durchgängigen Einteilung der Swim-Lanes in die verschiedenen Funktionsbereiche und am linken Ende mit der „Wall of Fame“ (die erfolgreich erzielten Ergebnisse).
Es hat sich gezeigt, dass die Moderation der Zeremonien im virtuellen Raum mehr Vorbereitung braucht und sehr diszipliniert durchgeführt werden muss, da die durch Technik vermittelte Kommunikation und gegenseitige Wahrnehmung auf das Sprechen und auf einen Kamera-Ausschnitt reduziert ist. Hingegen positiv auf die Produktivität hat sich die Einsparung der Reisezeit ausgewirkt, denn das Team war bereits von Anfang an auf zwei Standorte verteilt.
Demnächst startet der Kunde ein neues Projekt, direkt in der digitalen Umgebung.
Das Projektteam hat sich durch Corona nicht aufhalten lassen! Was wieder einmal bestätigt: „Wo ein Wille, da ein Weg“.
Ahoi
Lutz Kunze